Embedded Computing Vorausschauende Wartung mit Raspberry Pi und DAQ HATs

Von Richard Oed *

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Eine vorausschauende Wartung stellt hohe Anforderungen an die Hardware: Die Sensorik benötigt spezielle Wandlereingänge und es muss ausreichend Speicherplatz und Rechenleistung vorhanden sein. Ein Raspberry Pi mit HAT-Modulen ist die Lösung.

Bild 1: Das MCC 172 IEPE DAQ HAT ermöglicht die Auswertung von IEPE-Sensoren auf einem Raspberry Pi.
Bild 1: Das MCC 172 IEPE DAQ HAT ermöglicht die Auswertung von IEPE-Sensoren auf einem Raspberry Pi.
(Bild: Measurement Computing Corporation)

Die Industrie 4.0 hält Einzug in die Welt des Maschinenbaus. Eine zunehmende Vernetzung der Maschinen ermöglicht es, den Zustand einer Anlage mithilfe von Sensoren in Echtzeit zu erfassen. Mit den daraus gewonnenen Datensätzen können Unternehmen die Wartung ihrer Maschinen proaktiv planen. Dazu binden sie in ihre Analyse unterschiedlichste Werte ein, etwa veränderte Geräusche, Geschwindigkeiten, Temperaturen, Ströme und Spannungen, oder das Auftreten von Vibrationen. Diese vorausschauende Wartung ersetzt dabei die üblichen reaktiven und präventiven Ansätze und verfügt über viele weitere Vorteile.

So ermöglicht sie es, den besten Zeitpunkt für die Durchführung der Arbeiten zu bestimmen, Ausfallzeiten zu reduzieren und die Kosten für ungeplante Ausfälle zu senken. Dies alles erhöht die Rentabilität. Zudem können Unternehmen die Tätigkeiten an einer Maschine so legen, dass sie den Betriebsablauf am wenigsten stören. Versteckte Mängel in Produkten können frühzeitig erkannt werden. Insgesamt kann eine vorausschauende Wartung dazu beitragen, den Betrieb der Anlagen zu optimieren, die Zuverlässigkeit zu erhöhen und den Energieverbrauch und damit die Kosten zu senken.

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Diese ganzen Vorteile gelten nicht nur für die verarbeitende Industrie, sondern für eine Vielzahl von Branchen. So wird die vorausschauende Wartung auch in der Luftfahrt, im Schienenverkehr oder bei Wind- und Dampfturbinen angewendet.

Um zuverlässige Zustandsinformationen zu erhalten, muss zunächst eine riesige Menge unterschiedlicher Daten gesammelt, digitalisiert und übertragen werden. Anschließend müssen diese Datensätze gespeichert und analysiert werden. Am Ende werden die Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten bestimmter Ereignisse ermittelt. Dazu gehört die Extraktion der Zustandsindikatoren, also von Merkmalen, bei denen ein verändertes Verhalten eine drohende Störung sicher vorhersagt.

Vorausschauende Wartung benötigt Big-Data-Techniken

Aber nicht nur der Zustand von Maschinen und Anlagen muss überwacht werden, sondern auch Umweltparameter wie Feuchtigkeit und Temperatur. All dies erfordert den Einsatz von Big-Data-Techniken wie Edge-Computing. Ferner bedarf es modernster Sensortechnik, um die Daten zu erfassen, und einer zeitgemäßen IT-Infrastruktur zum Speichern, Verteilen und Analysieren der gesammelten Informationen.

Die eingesetzten Sensoren müssen dabei auf die verschiedenen zu beobachtenden Prozessparameter zugeschnitten sein. Für manche Anwendungen reichen einfache Spannungs- und Stromsensoren aus, andere benötigen Temperatur-, Luftstrom- oder Viskositätsmessungen. Und wieder andere erfordern Beschleunigungs-, Vibrations- und Drucksensoren.

Zudem muss die Rechenleistung der auszuwertenden Datenmenge gewachsen und ausreichend Speicherplatz verfügbar sein. Nötig ist außerdem eine Konnektivität zu weiteren Geräten. Wenn es um das Edge-Computing geht, setzen etliche Hersteller von Systemen für die vorausschauende Instandhaltung auf einen Raspberry Pi. Dieser kleine Einplatinenrechner (Single-Board Computer / SBC), der von der Raspberry Pi Foundation entwickelt und unterstützt wird, war ursprünglich dazu gedacht, Menschen zu ermöglichen, schnell und einfach Computerkenntnisse und digitale Kompetenzen zu erwerben. Doch schon bald fand er auch den Weg in industrielle Anwendungen.

Er verfügt über eine Vielzahl von Kommunikationsschnittstellen wie WLAN, Bluetooth, USB oder LAN und unterstützt microSD-Flash-Karten, die ausreichende Speicherplatz bieten. Seine CPU basiert auf verschiedenen Arm-Kernen, wobei der Raspberry Pi 3 einen Arm Cortex-A53 und der Raspberry Pi 4 einen Arm Cortex-A72 Kern verwendet. Mittels eines 40-poligen GPIO-Anschlusses können Entwickler die Funktionalität des Raspberry Pi durch Aufsteckkarten erweitern.

HATs sind eine einfach einsetzbare Lösung

Die Raspberry Pi Foundation hat dazu eine Norm für ein sogenanntes „HAT“ (Hardware Attached on Top) veröffentlicht. Diese spezifiziert nicht nur die mechanischen Maße, sondern auch welche Angaben ein HAT zur Verfügung stellen muss, damit der Bootloader des Raspberry Pi ein angeschlossenes Modul beim Start erkennen und identifizieren kann, um dann die GPIOs und die Modultreiber selbsttätig zu konfigurieren. Diese automatische Identifikation wird durch zwei reservierte Pins auf der 40-poligen Pfostenleiste (ID_SD und ID_SC) erreicht, die mit einem zwingend erforderlichen I2C-EEPROM auf dem Modul verbunden sind.

Dieses EEPROM enthält die Herstellerangaben sowie das GPIO-Setup und einen reduzierten Device Tree, der es dem Linux-basierten Betriebssystem ermöglicht, die nötigen Treiber zu laden. Die EEPROM-Struktur beginnt mit dem Header, der eine Signatur mit vier Bytes („R-Pi“), die Version des Datenformats und die Anzahl der ATOMs im Speicher, sowie die Gesamtlänge der EEPROM-Daten in Bytes enthält.

Drei ATOM-Einträge sind vorgeschrieben: ATOM1 mit den Herstellerangaben, ATOM2 mit der GPIO-Map und ATOM3 mit den Device-Tree-Informationen. Der Bootloader liest diese Angaben aus und macht sie für Anwenderprogramme über den Knoten „/hat“ des Device Tree verfügbar. Auf diese Weise müssen Programme nicht direkt auf das EEPROM zugreifen. Ein HAT-Modul kann nur dann als „HAT kompatibel“ gekennzeichnet werden, wenn das Modul alle diese Regeln befolgt. Dies ist nicht zwingend erforderlich, aber Karten, die sich nicht daran halten, können sich nicht als HATs bezeichnen.

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Spezialisierte Module erleichtern die Datenerfassung

Die ursprüngliche Spezifikation der Raspberry Pi Foundation sieht nicht vor, dass HATs gestapelt werden können. Dies ist aber möglich, wenn sie sorgfältig entworfen werden, beispielsweise wenn ihre GPIOs nicht miteinander in Konflikt stehen. Beispiele für solche stapelbare HATs sind die Datenerfassungsmodule (DAQ) von Measurement Computing Corporation (MCC), die in vielen Bereichen und Applikationen genutzt werden. Die Einsatzmöglichkeiten reichen dabei von Laboraufbauten, wie einem neuromuskulären Biomechanik-Testsystem, über dezentrale Installationen im Windenergiesektor bis hin zu IoT- und OEM-Lösungen für die Energie- und Maschinenzustandsüberwachung und vorausschauende Wartung.

MCC bietet fünf verschiedene HATs an, die alle speziell für Test- und Messanwendungen entwickelt wurden. Das MCC 118 und das MCC 128 sind Spannungsmess-HATs mit acht Kanälen für das Messen von Einzelpunkten oder Signalformen. Während der MCC 118 über acht Single-Ended-Eingänge mit einer Auflösung von 12 Bit verfügt, bietet der MCC 128 entweder acht Single-Ended- oder vier Differenzeingänge mit einer Auflösung von 16 Bit. Das MCC 152 besitzt zwei analoge 12-Bit-Spannungsausgänge und acht digitale 5-V- oder 3,3-V-E/A-Kanäle mit einer CMOS-Schwelle.

Die beiden anderen HATs bieten spezielle Eingänge für Sensoren an: Das MCC 134 Thermoelement-Mess-HAT hat vier isolierte Eingänge für Temperatursensoren und ist mit einem 24-Bit-Analog-Digital-Wandler (ADC) und einer Kaltstellenkompensation zur Erkennung von gebrochenen oder nicht angeschlossenen Thermoelementen ausgestattet. Das MCC 172 IEPE (Integrated Electronics Piezoelectric) Mess-HAT hingegen ist für IEPE-Sensoren wie Kraft- oder Drucksensoren, Beschleunigungsmesser und Mikrofone ausgelegt. Es verfügt über zwei Kanäle mit jeweils einem 24-Bit-Analog-Digital-Wandler mit einer maximalen Abtastrate von 51,2 kSPS/s. Es unterstützt synchrone ADC-Konvertierungen über mehrere Module hinweg.

Alle MCC-HATs sind so konzipiert, dass bis zu acht Boards desselben Typs oder unterschiedlicher Typen auf einem einzigen Raspberry Pi angebracht werden können. Damit können Entwickler ihre multifunktionalen, Raspberry-Pi-basierten Mess- und Datenlogger-Lösungen flexibel gestalten.

Bibliotheken beschleunigen die Softwareentwicklung

MCC hat seine DAQ HATs mit allen Raspberry Pi-Modellen getestet, die einen 40-poligen GPIO-Anschluss haben und auf denen Raspberry Pi OS läuft. Sie sind nicht kompatibel mit den ursprünglichen Raspberry Pi 1 A oder B, da diese mit einer 26-poligen Pfostenleiste geliefert werden. Sie sollten auch nicht zusammen mit anderen HATs oder Geräten betrieben werden, welche die SPI-Schnittstelle des Raspberry Pi nutzen, wie beispielsweise serielle LCDs, da die MCC DAQ HATs den SPI-Port zur Kommunikation selbst benötigen. Die Datenblätter der HATs enthalten weitere Informationen über die verwendeten Pins am 40-poligen GPIO-Anschluss, da diese zwischen den verschiedenen HATs variieren.

Für seine HATs stellt MCC umfassende Open-Source-Softwarebibliotheken zur Verfügung. Diese Bibliotheken unterstützen C und C++ sowie Python 2.7 und Python 3.7 als Programmiersprachen und beinhalten eine ausführliche API-(Application Programming Interface) und Hardware-Dokumentation. Benutzer können die Bibliotheken kostenlos von GitHub herunterladen und sie mit dem mitgelieferten Shell-Skript einfach auf dem Raspberry Pi installieren.

Beide Bibliotheken sind so organisiert, dass sie globale Funktionen/Methoden für die an das System angeschlossenen DAQ-HAT-Module und modulspezifische Funktionen/Klassen bereitstellen, die es dem Softwareentwickler ermöglichen, die Funktionalität jedes HATs voll zu nutzen.

Die globalen Funktionen ermöglichen die Auflistung der verbundenen HATs, ihrer Informationen sowie einige Interrupt-Funktionen. Modulspezifische Routinen umfassen open- und close-Funktionen (beispielsweise mcc172_open()), Lese- und Schreibfunktionen, Funktionen zur Kalibrierung und Konfiguration und weitere Funktionen für anwendungsspezifische Aufgaben. Ein Beispiel für Letzteres ist die Funktion mcc172_a_in_scan_start(), die eine hardwaregestützte Erfassung der analogen Eingangsdaten startet. Die C/C++-Funktionen und die Python-Klassen haben jeweils die gleichen Namen, was Entwicklern den Wechsel zwischen den beiden Programmiersprachen erleichtert. Die Bibliotheken unterstützen den gleichzeitigen Betrieb von mehreren MCC DAQ HATs.

Beispielprojekte bieten einen guten Einstieg

Um ein C/C++-Programm zu erstellen, müssen Benutzer lediglich die Header-Dateien in ihren Quellcode einbinden und bei Compiler und Linker auf die jeweiligen Installationspfade der Header-Dateien und der Bibliothek verweisen. Für ein Python-Programm reicht es aus, das Python-Paket „daqhats“ zu importieren.

Die MCC DAQ HAT-Bibliothek wird mit mehreren Beispielprogrammen in C/C++ und Python geliefert, mit denen Entwickler Bibliothek und Module einfach ausprobieren können. Eines davon ist ein konsolenbasiertes Programm, welches Werte aus den Modulen liest und anzeigt. Andere Beispiele bieten eine Benutzeroberfläche, wie ein in C/C++ geschriebener Datenlogger oder ein in Python programmierter Webserver. Für manche HATs ist ein webbasierter IFTTT-Dienst (If This, Than That) verfügbar, der mit Applikationen und Hardware interagiert, um verschiedene Funktionen zu automatisieren. Das Beispiel liest analoge Werte von den Modulen und legt die Daten in einer Google-Sheets-Tabelle ab. Der Benutzer kann diese Tabelle dann von seinem Google Drive aus fernüberwachen.

Wie Anwender davon profitieren

Mit dieser sofort einsatzbereiten Soft- und Hardware können die Anwender ihr Hauptaugenmerk auf die Verarbeitung und Analyse ihrer Daten richten, anstatt auf die Datenerfassung. Auf diese Weise können sie Systeme schnell und zu geringen Kosten realisieren und bereitstellen.

Das texanische IoT-Unternehmen Thinaer setzt beispielsweise das MCC 172 IEPE HAT und das MCC 134 Thermoelement HAT auf einem Raspberry Pi ein, um Schwingungs- und Temperaturdaten der verschiedenen Maschinen seines Kunden zu erfassen und auszuwerten. Durch den Einsatz der MCC-Bibliotheken für die Datenerfassung zusammen mit den handelsüblichen Modulen konnte sich Thinaer auf die Analyse und die Erkennung von Anomalien für die vorausschauende Wartung konzentrieren. Überdies passten die MCC DAQ HATs aufgrund ihrer geringen Abmessungen problemlos in das bestehende Gehäuse, sodass dieses nicht neu entwickelt werden musste.

HATs sind eine sinnvolle Ergänzung zum Raspberry Pi

Der Raspberry Pi bietet keine Test- und Messfunktionen wie Datenkonverter oder speziell auf Sensoren ausgerichtete Eingänge. Die HAT-Module zur Datenerfassung von Measurement Computing Corporation, die beispielsweise von Digilent vertrieben werden, füllen diese Lücke. Zusammen mit den verfügbaren Softwarebibliotheken können Ingenieure schnell mit der Entwicklung von Systemen für die vorausschauende Wartung oder anderen IoT- oder Edge-Projekten beginnen. Und sie können sich dabei auf ihre Kernkompetenz konzentrieren: die Anwendung. //MK

* Dipl.-Ing. (FH) Richard Oed ... war 24 Jahre lang als Applikationsingenieur in der Elektronikindustrie tätig und arbeitet heute als freiberuflicher Fachjournalist und Autor.

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